Renaissance einer alten Technik
Der Stampflehmbau ist Lehmbau in seiner ursprünglichsten Form. Für die hochentwickelte Bautechnik mit der „wohlfeinen“ Erde gibt es hervorragende Beispiele. Viele Gebäude des Altertums und des 18. Jahrhunderts, aber auch zahlreiche Siedlungen und Wohnhäuser aus der Zeit nach den Weltkriegen belegen die besondere Material- und Architektursprache dieser Bauweise. Ein sehr imposantes deutsches Beispiel ist ein sechs Stockwerke hohes Wohnhaus in Weilburg an der Lahn.
In jüngster Zeit wurde die Stampflehmtechnik in Europa auch für moderne und architektonisch anspruchsvolle Bauwerke wiederentdeckt.
Das Ausgangsmaterial
Lehm besteht aus Ton, Sand und Kies. Er entsteht aus der Zersetzung von Gesteinsmaterial und sein Color entspricht den Farben, die auch in der Natur vorkommen. Vielleicht wirkt Lehm auch deshalb besonders ansprechend und angenehm. In Zusammensetzung und Farbe gleicht somit kaum ein Lehm dem anderen. Lehme weisen oft die gesamte Skala der Erdfarben auf: von weiß, hellbeige, gelb über ocker, braun bis rot.
In der Regel sind natürlich vorkommende Lehme nur in seltenen Fällen direkt als Stampflehm geeignet. Die Festigkeit und das Schwindmaß sind wichtige Kriterien für die Beurteilung der Eignung eines Lehmes im Stampflehmbau. Maßgeblich beeinflußt werden diese Eigenschaften durch die Art und Menge der Tone und die Kornverteilung der im Stoffgemisch noch enthaltenen Materialien. Daher kommt der Vorfertigung des Aus-gangsmaterials eine große Bedeutung zu. Die Baustoffeigenschaften und die Besonderheiten der Technik müssen bereits im Vorfeld mit in die Planungen einbezogen werden. So ist je nach Wandstärke eine entsprechende Trocknungszeit einzuplanen. Sowohl während der Errichtung als auch in der Trocknungsphase ist unbedingt für Frostfreiheit und Regenschutz Sorge zu tragen. Eine Stampflehmwand benötigt stets einen Sockel aus massivem, wasserfestem Material.
Herstellung von Stampflehmbauteilen
Es sind alle handelsüblichen Schalungssysteme geeignet, die ausreichend stabil und biegesteif sind. Um ein „Hochwandern“ beim Stampfen zu verhindern, muß die Schalung sorgfältig im Boden verankert werden. Der Schalungsdruck ist dort, wo gestampft wird, wesentlich höher als im Betonbau. Die zum Einbau notwendige krümelig-erdfeuchte Konsistenz des Materials muß vor dem Einbau von einem erfahrenen Fachmann überprüft werden. Zu trockene Mischungen lassen sich nicht optimal verdichten (die Tonminerale können nicht „arbei-ten“), zu feuchte Mischungen weichen beim Stampfen aus. Das Ausgangsmaterial wird von Hand oder mit He-bezeugen in Lagen von 10-12 cm in die Schalung eingebracht und manuell oder mit pneumatischen Stampfgeräten sorgfältig verdichtet. Jede Schicht muß mehrfach und gleichmäßig auf etwa zwei Drittel seiner Schütthöhe komprimiert werden. Beim Einsatz von großen Schalungsmodulen und maschinellen Stampfern ist es möglich, in einem Arbeitsgang bis zu 2 m hoch zu stampfen. Wandöffnungen werden durch eingestellte Einsatzlehren ausgespart.
Ästhetische Ausdruckskraft
Ein wichtiger Grund für die Wiederbelebung der alten Bautechnik liegt in der ästhetischen und architektonischen Ausdruckskraft der schweren und monolithischen Stampfbauteile, welche in der Regel unverputzt bleiben. Die Struktur des Materials bleibt sichtbar und die Wand kann im leicht plastischen Zustand noch auf der Oberfläche bearbeitet werden. Weiterhin ist es möglich, leicht abgetönte Schichten aus farbigem Lehm einzuarbeiten. Die Oberfläche wird mit Druckluft abgeblasen und gebürstet, so daß sie keinen Staub mehr abgibt.
Es sind durch Form, Farbe und Struktur interessante Gestaltungsmöglichkeiten gegeben.
Anwendungsmöglichkeiten
Aus technischer Sicht werden Stampflehmwände auch als große Wärmespeichermassen eingesetzt. Es ist möglich, sowohl tragende als auch nichttragende Innen- und Außenwände herzustellen. Aber auch einzelne, frei als Raumskulptur konzipierte Wände in öffentlichen Gebäuden oder in Wohnungen erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Selbst zahlreiche der Witterung ausgesetzte Stampflehmmauern im Außenbereich wurden errichtet. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit für Stampflehm ist zum Beispiel die Herstellung von Fußböden in Orangerien, Wintergärten, Kapellen oder Wohnräumen.
Vor allem der österreichische Künstler Martin Rauch trug mit seiner Arbeit maßgeblich zur Wiederbelebung dieser Bauweise in Europa bei. Zum Beispiel errichtete er einige Einfamilienhäuser im Vorarlberg, eine 130m lange und 7m hohe Lehmwand im Landeskrankenhaus Feldkirch und zahlreiche kleinere Wände in Einfamilienhäusern. 1999 entstand auf dem ehemaligen Mauerstreifen in Berlin Mitte eine Kapelle der Versöhnung, deren Wände und der Fußboden aus Stampflehm bestehen. Lehmprojekt hat dabei aktiv mitgearbeitet und ist seither von den Möglichkeiten dieser Bauweise überzeugt. Bleibt zu hoffen, daß Martin Rauch mit der erfolgreichen Realisierung dieses Bauwerkes auch in Deutschland das Eis für weitere Stampflehmbauwerke gebrochen hat.